Die Hoffnung stirbt zuletzt, doch sie stirbt



Es ist wie bei einem anstehenden Tod eines Angehörigen. Die Situation und der Ausgang sind bekannt und man versucht sich aus Selbstschutz emotional zu distanzieren. Wenn der Ernstfall aber dann eintritt, übermannt einen trotzdem die Trauer.

Nach dem Kellerduell gegen den SC Paderborn am vergangenen Samstag wird der erneute Abstieg ein Stück mehr zur Realität. Sechs Punkte aus 13 Spielen. Die, mit Abstand, schlechteste Leistung der Rückrunde. Ein Sieg im Kalenderjahr 2017. Mit den letzten sechs Partien vor der Brust spürt man, dass die Zeit wie Sand durch die Finger rinnt. Drei Spiele gegen direkte Abstiegskonkurrenten und drei Spiele gegen Aufstiegsaspiranten aus dem oberen Tabellendrittel. Selbst der Tabellenletzte Mainz II hat es geschafft mehr als doppelt so viele Punkte in diesem Jahr zu holen wie der FSV.

In Ostwestfalen bekam man fingerdick aufs Brot geschmiert, was falsch läuft und wie schnell eklatante Fehler in dieser Phase der Saison bestraft werden. Cagatay Kader blieb zunächst auf der Bank (1). Man holte stattdessen Schachten aus der tiefsten Versenkung zurück in die Startelf (2) und ermöglichte dem 20-jährigen Leon Hammel sein Drittligadebüt. In dieser Situation glich dies für mich jedoch mehr einer Bloßstellung, als eines Vertrauensbeweises (3). Der gesetzte und etatmäßige Innenverteidiger Shawn Barry startete plötzlich im Sturm und sollte mit seiner enormen die Geschwindigkeit das Offensivspiel beflügeln. Jedoch wird ein Ackergaul auch nicht zum Rennpferd, wenn man ihm einen Sattel auflegt (4). Gino Lettieri wollte auf Risiko gehen, jedoch wurde er dafür erstens nicht belohnt und zweitens verlor er selbst das Vertrauen an sein Experiment. Nach einer ereignisarmen und von Angst geprägten ersten Hälfte führten die Gastgeber. Yannick Stark lies die Führungsmöglichkeit vom Punkt liegen und Paderborn ging nach einem Eckball kurz vor dem Pausenpfiff in Führung. Der bislang souveräne Yannick Stark konnte in der Drucksituation keinen kühlen Kopf bewahren, Dinge die passieren können. Gino Lettieri war das anscheinend aber zu viel und er handelte überhastet mit zwei Wechseln zur Pause (5). Stark musste das Feld verlassen, für ihn kam Cagatay Kader und überraschenderweise wurde auch der solide spielende Bahn für Jovanovic ausgewechselt (6). Die gesamte Grundordnung wurde verändert und man spielte jetzt mit vier statt zwei Offensiven, plus Barry in der Spitze. Das Problem der Wechsel war nicht der Handlungswille Lettieris, sondern zum einen Kader von Beginn an auf der Bank zu lassen, was meiner Meinung nach sträflich ist und zum anderen Jovanovic als Heilsbringer ins Spiel zu werfen. Grob fahrlässig. Aus der „aufgepumpten“ Offensive resultierte eine zerpflückte Defensive, welche die Gastgeber dazu einlud Frankfurt noch mehr unter Druck zu setzen. Der größte Leidtragende dabei: Leon Hammel. Ich muss ehrlich gestehen, dass er mir einfach Leid tat. Sein Debüt in solch einem Spiel zu geben ist nervlich gesehen schon eine Zerreißprobe, aber nach der Umstellung zur zweiten Halbzeit und der Entstehung des defensiven Flickenteppichs, war es für den jungen Spieler dann der Overkill.  Hätte man ihn zur Pause ausgewechselt, statt Bahn oder Stark, wäre es eine gute Erfahrung in der jungen Karriere Hammels gewesen, aber im zweiten Durchgang merkte man ihm die minütlich wachsende Überforderung deutlich an (7). Somit war es auch nicht verwunderlich, dass er sich meist nur mit Fouls zu helfen wusste und nach knapp 60 Minuten die Auswechslung kommen musste, bevor er noch die zweite Gelbe Karte sah. Drei Wechsel nach bereits einer Stunde (8). Lettieri ging All-In. Für Hammel kam Streker, den sich die meisten ebenfalls in der Startaufstellung gewünscht hätten, aber auch dieser verlor offenbar nach seinem Eigentor gegen Zwickau das Vertrauen des Trainers. Es kam das, was kommen musste, wenn man innerhalb von 15 Minuten das Spielsystem zweimal grundlegend verändert. Der FSV machte Fehler. Nachdem die Aufteilung in der Defensive immer mehr flöten ging, patzte nun auch, der in den letzten Spieltagen so stark kämpfende, Christopher Schorch und verschätzte sich vollkommen bei einem Flankenball der Paderborner (9). Er flog unter der unpräzisen Flanke hindurch und erlaubte Piossek in aller Ruhe den Ball im Frankfurter Sechszehner zu verarbeiten und das 2:0 zu erzielen. Im weiteren Verlauf des Spiels komplettierte man die Ode des Abgangs noch mit der Verletzung Heitmeiers, was dazu führte, dass der FSV zu zehnt weiterspielen musste und dem Schlusspunkt durch den Mann des Spiels Piossek, der durch zwei Haken die gesamte Frankfurter Verteidigung auf links drehte und das hochverdiente 3:0 erzielte.

Neun (!) Fehler die man mehr oder weniger hätte vermeiden können, aber derzeit die sportliche Lage perfekt beschreiben. Es reicht vorne, als auch hinten nicht aus, um sagen zu können, man habe es verdient ein weiteres Jahr in der dritten Liga zu spielen. Hinzu kommt, dass bei der momentanen Form von Mainz II es nicht allzu abwegig ist, dass diese einem noch die rote Laterne in die Hand drücken. Die Mannschaft ist bis auf glorreiche neun Spieltage in der Hinrunde über die gesamte Saison abgestiegen. Die Transfers dieser Saison waren teils unglücklich gewählt, aber statt sich dessen bewusst zu werden, warf man im Winter nur einen Adil Chihi von Bord, statt den Kader weiter auszudünnen und adäquaten Ersatz für die ewigen Bankdrücker zu suchen. Hinzu kommt die beachtliche Verletztenliste dieser Saison, die gleich mehrere Leistungsträger aufführt. Mit vier Kreuzbandrissen ist man in der Liga die einsame Spitze. Dennoch kann man das nicht als Entschuldigung gelten lassen. Unterm Strich war es in allen Belangen zu wenig und der weitere Abstieg wäre, leider Gottes, die logische Schlussfolgerung. Das Spiel in Paderborn war sportlich gesehen der Sargnagel und mit dem drohenden Insolvenzverfahren muss man sich auf weniger rosige Zeiten gefasst machen, als nur der Abschied aus dem deutschen Profifußball.  

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